Wahrscheinlich denkst Du jetzt: Geil! Das will ich auch. Verständlich, die Vorstellung ist ja auch toll, durch so etwas Einfaches und Natürliches so ein starkes und behinderndes Gefühl zu lösen. Aber so einfach wie „Ficken für den Frieden“ ist es auch nicht, es steckt schon etwas mehr dahinter.
Ich war am Wochenende auf einem Seminar über orgasmische Meditation. Das ist eine Technik, die Männern und Frauen helfen soll, besser in Kontakt mit ihren eigenen Gefühlen zu kommen und gleichzeitig die Kommunikation mit ihrem Gegenüber zu verbessern. Um zwei Deiner wichtigsten Fragen vorweg zu nehmen: Nein, das hat nichts mit Tantra zu tun, und nein, man hat da auch keinen Sex. Wenn Du mehr darüber erfahren möchtest, empfehle ich Dir den Vortrag der Gründerin von Orgasmic Meditation, Nicole Daedone, bei TEDxSF (unter Rampenpfau-Gesichtspunkten übrigens eine großartige Performance).
Vielleicht hast Du schon mal den Begriff wahrhaftige Begegnung gehört. Das bedeutet, dass Du Dich voll und ganz auf die Situation in diesem Moment einlässt und mit Deiner Aufmerksamkeit komplett präsent bist. In einem meiner letzten Blogartikel habe ich über Akzeptanz gesprochen. Sie schafft die Grundlage für eine wahrhaftige Begegnung, denn wenn Du akzeptierst, wie Du Dich gerade fühlst, brauchst Du Deine Energie nicht mehr dafür aufzuwenden, Deine Gefühle vor Deinem Publikum zu verstecken, kannst Dich also voll auf es einlassen.
Wie kann Dir nun aber der Orgasmus dabei helfen? In der orgasmischen Meditation wird unterschieden zwischen dem Höhepunkt und dem Orgasmus. Der Höhepunkt ist das, was Du normalerweise unter dem Begriff Orgasmus kennst, also eine kurze, energetische Entladung einer im Rahmen eines sexuellen Aktes aufgebauten Spannung, beim Mann üblicherweise verbunden mit einer Ejakulation, bei der Frau mit Kontraktionen im Schambereich (Ich finde den Begriff Scham für diese Region in der weiblichen Anatomie übrigens sehr ungünstig gewählt, denn es gibt nichts, wofür sich eine Frau hier schämen müsste.).
Der Orgasmus in der orgasmischen Meditation bezeichnet hingegen einen Zustand, der Dir einen Zugang zu Deinen wahrhaftigen inneren Bedürfnissen und Gefühlen verschafft und Dir das Selbstvertrauen und die Selbstsicherheit gibt, diesen auch nachzugehen und sie auszuleben. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen nach Erleuchtung. Und das soll es auch. Wobei es beim Orgasmus als Zustand gar nicht um Erleuchtung geht, sondern einfach um einen natürlichen Zugang zum Kern Deines Selbst mit all seinen Gefühlen und Bedürfnissen.
In der Psychoanalyse wird Kultur als Sublimierung der Triebe betrachtet. Wenn Du Dir ihr Gegenstück anschaust, die Natur, ist diese Definition nachvollziehbar. Indem wir Gefühle unterdrücken, handeln wir also gegen unsere Natur. Gleichzeitig ermöglicht uns die Kultur mit ihren Regeln und Normen auch ein Zusammenleben in diesem System. Ob Du dieses System gut findest oder nicht bleibt Dir überlassen, aber ohne Kultur im Sinne der Regeln und Normen würde es nicht funktionieren. Ist ja auch OK, die Regeln der Kultur zu kennen und sich in ihr bewegen zu können. Wenn Dein innerer Antrieb, Deine Motivation, sich aber so weit von Deiner Natur entfernt hat, dass Du glaubst, die von außen auferlegten Regeln seien Deine Natur, dann wird sich etwas in Dir wehren.
Durch unsere immer komplexere und schnelllebigere Gesellschaft passen wir uns immer stärker der Kultur an. Die Schere zwischen Kultur und Natur wird dabei immer größer und das Ungleichgewicht immer stärker. Die Folgen dieses Ungleichgewichts in uns, Krankheiten (vor allem psychische und Autoimmunkrankheiten), nehmen zu. Wenn wir im Orgasmus leben, bleiben wir innerlich bei unserer Natur, und schaffen so ein wichtiges Gleichgewicht zur Kultur, in der wir uns im Außen bewegen.
Was bedeutet der Orgasmus für Dein Lampenfieber? Lampenfieber ist eine Konstruktion der Kultur, da es hauptsächlich auf unserer Erziehung basiert, den Werten und Normen, die uns von außen auferlegt werden (erinnere Dich an einen der ersten Blogartikel, der, in dem ich Dir davon erzählt habe, wie ich mal auf einer Party ein Sofa anzünden wollte). Durch den Orgasmus sind wir in einem ständigen Flow-Zustand und haben so jederzeit Zugang zu unserem Innersten. Wenn unser Innerstes Priorität hat, rückt alles von außen in der Priorität nach hinten und wird entkräftet – so auch das Lampenfieber.
Und auch im Hinblick auf die Verbindung zu Deinem Publikum ist der orgasmische Zustand erstrebenswert. Willst Du Deinem Publikum mit einer Maske aus Regeln und Normen begegnen und ihnen als Personifikation von Werten begegnen, die Du eigentlich nicht bist, oder willst Du eine wahrhaftige Begegnung, pure Authentizität und dadurch ungehemmtes Charisma? Ich habe in einem Blogartikel mal darüber geschrieben, dass Du Dein Publikum lieben sollst, und zwar ohne Gummi (Das war nur eine Metapher, ich übernehme keine Haftung für ungewollte Schwangerschaften!). Jetzt gehe ich noch einen Schritt weiter:
[Tweet „Fick Dein Publikum.“]
Mit aller Wertschätzung und allem Respekt, aber in einer wahrhaftigen Begegnung. Ehrlich. Sinnlich. Rau. Echt. Folge Deinen Instinkten, vertraue Deinem Gefühl und kommuniziere ehrlich und ungekünstelt Deine Gefühle. Lebe den Orgasmus. Dein Lampenfieber wird verschwinden.