Die meisten Menschen vermeiden peinliche Situationen so gut es geht, denn sie wollen nicht unangenehm auffallen, weil sie sich sich dafür schämen würden. Wie Du in meinem letzen Blogartikel erfahren hast, hat das sowohl evolutionäre als auch sozial konditionierte Gründe. Als Künstler gehört es jedoch zu Deinem Job, aufzufallen. Ein Widerspruch?
Du denkst jetzt wahrscheinlich: „Moment mal, ich will doch nur nicht unangenehm auffallen.“ Und Du hast Recht, rational gesehen. Das Problem an der Sache ist, dass Dein Überlebenstrieb nicht rational denkt. Wenn Du nicht gerade das Glück hattest, in Deiner Kindheit bestimmte Dinge nicht zu lernen, dann geht es Dir wie mir früher: Du möchtest gerne auffallen, doch irgend etwas in Dir schreit „Nein!“.
Ich will Dir was verraten. Bei mir war es früher genau so. Ich habe im Kindergarten und in der Schule gelernt, dass auffallen und unangenehm miteinander verknüpft sind. Ich habe den sinnlosesten aller Glaubenssätze kennengelernt, den es gibt: „Das macht man nicht.“ Was ist das? Wer ist man? Und wer will da überhaupt über mein Leben bestimmen? Heute weiß ich es besser, aber damals habe ich an diesen Satz geglaubt – obwohl er schon zu dieser Zeit ein komisches Gefühl in mir geweckt hat (dass ich grundrenitent bin, habe ich Dir ja schon mal erzählt). Ja, ich habe diesen Quatsch gelernt, wie so viele andere, die in unserem System aufwachsen.
Wenn ich Dir also sage, ich habe es gelernt, dann gab es eine Zeit, in der ich das „noch nicht konnte“. Das war die Zeit, in der ich ohne Hemmungen, ohne Selbstzweifel und ohne Hintergedanken, mein Gegenüber könnte mir ja vielleicht was Böses antun wollen, meine Welt entdeckt und erlebt habe. Ich bin auf Bäume geklettert, habe fremde Menschen angesprochen und mitten im Supermarkt eine oscarreife Heulszene hingelegt, wenn mir meine Eltern das kleine bunte Auto, das ich toll fand, nicht kaufen wollten. Was die anderen von mir in dem Moment gedacht haben war mir auf gut deutsch: Schnurz. Mir ging es um den Ausdruck und das Ausleben meiner Gefühlswelt. Unverfälscht, unverblümt, unverschämt. Ja richtig, ich war un-ver-schämt, denn ich war ohne Scham.
Das Schamgefühl ist einer der zentralen Punkte bei Auftrittsangst und Lampenfieber. Es ist der Filter, der Dein Bewusstsein dazu bringt, „Nein!“ zu schreien, obwohl Du gerne auffallen möchtest. Es setzt hinter Dein anfänglich noch überzeugter „Ich will auffallen…“ das Wörtchen „aber“. („Aber“ kannst Du übrigens auch gleich aus Deinem Wortschatz verbannen. Warum erfährst Du in einem der nächsten Blogartikel.) Dein Schamgefühl lässt Dich zweifeln, zittern und Angst haben vor Fehlern, Aussetzern und Panikattacken. Es ist also eine Art Angst vor der Angst, denn wenn Du sie nicht hast, dann können Pannen und Patzer zwar unangenehm sein, sie werden Dich jedoch nicht aus dem Konzept bringen.
Doch wie genau kommst Du an diesen Punkt, an dem es Dir einfach egal ist? Ich habe mich jahrelang mit diesem Thema beschäftigt und mein Schamgefühl, ergänzend zu gezielten Coachings, systematisch desensibilisiert. Dafür gibt es ein paar ganz einfache Tricks. Du brauchst nur genau die Dinge tun, von denen Du momentan noch denkst, sie wären Dir super peinlich. Was genau für Dich am Schlimmsten ist, weißt Du selbst am besten, allerdings gibt es ein paar allgemeine Techniken zur systematischen Desensibilisierung von Auftrittsangst und Lampenfieber, die ich Dir in meinem Newsletter noch genauer erklären werde. Wenn Dich das interessiert, trag‘ Dich gleich hier dafür ein.
Ansonsten probier‘ doch einfach aus, was passiert, wenn Du genau das, wovor Du Angst hast und was bei Dir ein Unwohlgefühl hervorruft, einfach ein paar Mal machst und Dich dabei ganz genau beobachtest. Das kann zum Beispiel auch so aussehen, dass Du Dir vorstellst, wie Du die Situation in dem Moment noch mal erlebst, ohne dabei das Gefühl zu haben, das Dir nicht gefällt. Wenn Du Erfahrungen mit dieser Technik sammelst, die Du gerne mit den Bloglesern teilen möchtest, dann nutze die Kommentarfunktion oder schreib‘ mir eine Mail.
An dieser Stelle noch zwei kleine Hinweise: Wenn Du Dich auf dieses Abenteuer einlässt, Dein Schamgefühl zu desensibilisieren, überleg‘ Dir vorher was Du tust. Ich animiere Dich hier nicht zu Straftaten, Ordnungswidrigkeiten oder asozialem Verhalten und übernehme auch keine Verantwortung für gesundheitliche oder soziale Folgen. Wenn Du das Gefühl hast, dass hinter Deinem Schamgefühl mehr steckt, als nur ein anerzogener Glaubenssatz, dann rate ich Dir davon ab, Deine systematische Desensibilisierung ohne qualifizierte Begleitung durchzuführen.
Und noch ein kleiner Tipp: Schau Dir das Bild oben noch mal genau an. Möpse sind vielleicht nicht die größten, elegantesten und stärksten Hunde. Das wissen sie allerdings nicht, denn sie haben es nicht gelernt. Sie schämen sich nicht, weder für das, was sie sind, noch für das, was sie tun. Im Gegenteil, Möpse finden sich immer total toll. So kann es schon mal sein, dass ein Mops ein Pferd oder ein Auto anbellt, völlig schamlos und mit der totalen Überzeugung, er sei nicht nur im Recht, sondern auch größer. Ein Mops zweifelt nicht, ein Mops ist – ein echter Rampenpfau. Und in Zukunft wirst Du auch nicht mehr zweifeln, wenn Du jetzt anfängst, an Dir zu arbeiten.